Kneipp Gesundheitskonzept – Investition in die Zukunft
Eine weitere Veranstaltung des Gesundheitsprogrammes der Solidarischen Gemeinde Aulendorf fand am Mittwoch, den 23.10.2024 im PVN-Gesundes Aulendorf mit Dr. med. Hans-Georg Eisenlauer und einem Vortrag über das „Gesundheitskonzept nach Kneipp – Investition in die Zukunft“statt.
Kneipp – das wirkt im ersten Moment veraltet, man denkt an kaltes Wasser, langweilige Ernährung und Ordnungstherapie – auch nicht gerade moderne Begriffe. Das hat so gar nichts mit den neuesten Wellness-Trends in den sozialen Medien zu tun, die doch sehr viel stylischer und angenehmer rüberkommen.
Karin Halder, eine der beiden Vorsitzenden des Vereines, begrüßte die Zuhörenden und erklärte kurz die neuen Möglichkeiten und Gesundheitsangebote im PVN-Gesundes Aulendorf.
Der erfahrene Arzt und Kneipp-Spezialist Dr. med. Hans-Georg Eisenlauer, Vorsitzender der Kneippvereine in Aulendorf und Ulm/Neu-Ulm, sowie Vizepräsident des Deutschen Kneippbundes, erklärte das Gesundheitskonzept von Pfarrer Sebastian Kneipp und stellte die Vorteile und Erfolge für ein gesundes Leben und Älterwerden vor.
Wer war Sebastian Kneipp?
Sebastian Kneipp, so berichtete der Mediziner, wurde 1821 als Sohn eines Webers geboren. Er wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf und musste schon früh am Webstuhl des Vaters und als Dorfhirte arbeiten. Durch einen Feuerbrand verlor er mit 20 Jahren sein Elternhaus und sein Erspartes, mit dem er sich seinen Traum vom Theologiestudium erfüllen wollte.
Kneipp verlor sein Ziel aber nicht aus den Augen und konnte mit 27 Jahren schließlich sein Abitur machen. Nach Beginn seines Studiums erkrankte er schwer, vermutlich an Tuberkulose (damals Schwindsucht genannt). Er suchte Hilfe vor der damals oft tödlich verlaufenden Erkrankung und fand ein Buch zur heilenden Wirkung kalter Bäder. Das faszinierte ihn sehr und er begann mit Bädern in der eiskalten Donau, eilte dann schnell zurück in sein warmes Bett – die Geburtsstunde der Wasser-Kur.
Anerkennung der Gesundheitslehre von Sebastian Kneipp als immaterielles Kulturerbe
Dieses Wissen um die heilende Kraft der Wasseranwendungen verbreitete sich schnell und seine Erfolge in der Heilung von Kranken förderten seine Bekanntheit. Nach seinem Tod wurde sein Vermächtnis in Kneipp-Vereinen und dem Kneipp-Bund mit 100.000 Mitgliedern bewahrt. Mittlerweile gibt es über 450 Kneipp-Vereine und 470 Kindertageseinrichtungen. 2015 wurde das Kneippen in die Liste des immateriellen Kulturerbes aufgenommen.
Die Therapien nach Kneipp, die zu den klassischen Naturheilverfahren zählen, verfolgen das Konzept eines einfachen, naturnahen Lebens, betonen die Verantwortung für die eigene Gesundheit und sind schulmedizinisch anerkannt und werden auch wissenschaftlich weiterentwickelt.
Dr. Eisenlauer erläuterte die Fünf Säulen/Elemente des Gesundheitskonzeptes nach Kneipp.
Wasser, als Überträger natürlicher Reize spielt eine sehr große Rolle und kommt in vielfältigen Anwendungen zum Einsatz: Treten, Bäder, Güsse, Wickel, Waschungen, Bürstungen – häufig mit kaltem Wasser, wobei hier keine bestimmte Temperatur vorgegeben ist, es sollte sich nur subjektiv kalt anfühlen.
Wirkung: es stärkt die Selbstheilungskräfte, regt das Herz-Kreislaufsystem an, senkt den Blutdruck und fördert den Stoffwechsel, schmerzlindernd und unterstützt eine rasche Erholung.
Ernährung sollte abwechslungsreich und vollwertig sein, Kneipp empfiehlt eine ausgewogene, abwechslungsreiche Ernährung, eine gehaltvolle, vollwertige, fettarme Kost. Er gibt keine Diät vor und auch keine Ernährungspläne, eine asketische Lebensweise ist nicht erforderlich. Gefördert wird das bewusste Essen mit regelmäßiger Flüssigkeitszufuhr und das Essen in Gemeinschaft. Betont wird auch das Essen mit Genuss, saisonal – regional – in Maßen.
Ziele: den Körper mit notwendigen Nährstoffen versorgen, gleichzeitig den Stoffwechsel entlasten. Das Erreichen und Halten eines schlankes Wohlfühlgewichts sollte angestrebt werden, betont wird ein genussvolles Essen und das Sich-Wohlfühlen im eigenen Körper.
Bewegung, hier wird eine moderate, regelmäßige und vielfältige Bewegung empfohlen, die möglichst in den Alltag eingebunden sein sollte und dadurch das Wohlbefinden steigert. Diese Empfehlung von Kneipp deckt sich auch mit der Erkenntnis der Bundesärztekammer (Interdisziplinäres Forum der BÄK 2013): Der Effekt körperlicher Bewegungrichtig dosiert u. individuell angepasst ist zur Vorbeugung und Behandlung von Krankheiten den Effekten vieler Medikamente ebenbürtig. Und auch die WHO empfiehlt aktuell 60 min tägliche Aktivität bei Kindern und 150 min bei Erwachsenen in der Woche. Es ist also kein spezieller Sport notwendig, sondern flüssiges Gehen, Gartenarbeit, immer in mindestens 20min Einheiten.
Kräuter, als natürliche Heilpflanzen sind ein wichtiges Element der Kneippschen Gesundheitsphilosophie, die Kraft der Gewürze, Heilkräuter, Aromen und Düfte wird betont. S. Kneipp hat 45 Pflanzeneine Wirkung ohne Nebenwirkung zugeschrieben. Dies ist heute wissenschaftlich belegt.
Ziel der Kräuterbehandlung: Krankheitsvorbeugung ohne Nebenwirkungen, Befindlichkeitsstörungen vermeiden, Ergänzung und Verstärkung der klassischen Medikation, Verbesserung des allgemeinen Wohlbefindens
Lebensordnung, zur Unterstützung des seelischen Wohlbefindens.
Die Ausgewogenheit allen Tuns ist Grundlage für ein gesundes, aktives und zufriedenes Leben. Ein Leben im Einklang mit Körper, Geist, Natur und Umwelt wird angestrebt. Und eine Erkenntnis von S. Kneipp wirkt heute so aktuell wie vor fast 200 Jahren: Es muss das Gleichgewicht hergestellt werden zwischen Arbeit und Lebensweise. Work-Life-Balance würde man heute dazu sagen.
Kosten und Probleme der demographischen Entwicklung
Im letzten Teil seiner Ausführungen, die immer wieder mit praktischen Beispielen veranschaulicht wurden, ging Dr. Eisenlauer noch auf die demographische Entwicklung und die damit verbundenen Kosten und Probleme ein. Jeder Einzelne möchte möglichst lange leben und Gesundheit ist dabei eine wichtige Voraussetzung, um die Jahre noch möglichst lange genießen zu können. Gesundheit im Alter ist also für den einzelnen Menschen erstrebenswert, um möglichst lange eine möglichst hohe Lebensqualität zu haben. Auch die Gesellschaft kann die Herausforderungen durch eine immer älter werdende Bevölkerung nur dann stemmen, wenn möglichst viele Menschen so lange wie möglich eigenständig im Alltag zurechtkommen. Die finanziellen und personellen Mittel sind begrenzt und werden in Zukunft eher noch knapper, bei gleichzeitig steigendem Bedarf werden. Die Bemühungen für einen gesunden Lebensstil sind also eine gute Investition für ein langes, erfülltes und möglichst gesundes Leben – für jeden Einzelnen und auch für die Gesellschaft.
Kneipp – altes Wissen für die neue Zeit
Insgesamt ein sehr interessanter und kurzweiliger Vortrag mit vielen Hinweisen und Empfehlungen, wie man im Alltag mit einfachen Mitteln etwas für seine Gesundheit und sein Wohlbefinden tun kann. Die Sprache, die Begriffe wirken nach wie vor altbacken, aber das Konzept und die Ziele sind absolut aktuell. Die neuen, modernen Empfehlungen zur Prävention enthalten auch die drei großen Bereiche Ernährung, Bewegung und Stress. Und im Wellness-Bereich wird mit Wasser und Aromen gearbeitet – der auffälligste Unterschied ist hier eigentlich nur die Temperatur. Thermalbad statt eiskalter Donau.
Um dieses Wissen nicht nur theoretische kennen zu lernen, sondern auch praktisch am eigenen Leib zu erfahren wird derzeit eine Veranstaltung mit Kneipp-Anwendungen geplant.